Dunya treibt „das positive Gefühl an, gemeinsam demokratisch zu handeln“. Hannah macht sich Sorgen, weil „Homo- und Trans*phobie wieder ansteigen“. Johanna will „mehr Mutreden hören, keine Angstmache“. Und Wiebke engagiert sich „weil ich gerne in einer offenen und demokratischen Welt lebe“. Dies sei, weiß Wiebke, „keine Selbstverständlichkeit, sondern eine in den letzten Jahrhunderten erkämpfte Errungenschaft.“ Selbstverständlich müsste es nicht „letzten Jahrhunderten“, sondern „vergangenen Jahrhunderten“ heißen. Aber vielleicht geht die Welt ja wirklich unter, wenn die zitierten Damen und ihre Mitstreiter scheitern. Die Indizien dafür sind nämlich zahlreich.

Die Offenbarung des Johannes
Dunya, Hannah, Johanna und Wiebke engagieren sich gemeinsam mit anderen für die Initiative „KleinerFünf“. Mit ihrem „demokratischen Handeln“ und ihren „Mutreden“ wollen sie aufklären und verhindern, dass die AfD bei der Bundestagswahl über fünf Prozent kommt. Deshalb sucht man auf der Seite der Initiative die beschworenen „Mutreden“ aktuell auch noch vergebens, stattdessen wird die AfD zu einem sexistischen, homophoben und rassistischen Monstrum aufgeblasen, das nach der Bundestagswahl alles verschlingen und die Welt in die Apokalypse führen könnte. Weniger „Mutreden“, mehr „Offenbarung des Johannes“.

Nun muss man, der Herr ist mein Zeuge, kein AfD-Mitglied sein, nicht mal mit dieser Partei sympathisieren, um den vielfach erbittert und auch verbittert geführten Kampf gegen sie mit einer gewissen Skepsis und Verwunderung zu begleiten. Da wird angeblich gegen Angstmacherei angeredet und gleichzeitig das Ende der Demokratie prophezeit, sollte die AfD in den Bundestag einziehen. Das Ende der Welt, wie wir sie kennen, scheint – glaubt man den teils völlig hysterischen AfD-Gegnern – schon an die Türen der deutschen Gartenlauben und des Reichstags zu klopfen.

Ringel Ringel Reihe
Das goldene Kalb, um im biblischen Duktus zu bleiben, scheint heute der „Kampf gegen Rechts“ zu sein, um den Dunya und Wiebke Hand in Hand „Ringel Ringel Reihe“ tanzen, mit Sonnenblumen im Haar und der Liebe zum Internationalismus im Herzen. Doch so wenig die Logik in Glaubensfragen gilt, so wenig nachvollziehbar sind auch die Gründe, warum die AfD laut „KleinerFünf“ nicht in den Bundestag einziehen sollte.

„Flüchtlinge will die AfD so lange schützen, bis der Fluchtgrund aufgehoben ist. Dann soll es Rückkehrhilfen und Wiederaufbauprogramme in den betreffenden Ländern geben“, schreibt „KleinerFünf“ in einer „AfD-Analyse“ auf ihrer Seite. Was? Flüchtlinge schützen, bis der Fluchtgrund aufgehoben ist? Und dann auch noch Rückkehrhilfen und Wiederaufbauprogramme! Ist ja unerhört!

Und dann bekennt sich die AfD auch noch zur „traditionellen Familie als Leitbild” und offenbart laut „KleinerFünf“ ihre „rassistische Ausrichtung“, weil – schon wieder unerhört! – sie darauf hinweist, dass Migranten im Durchschnitt mehr Kinder bekommen als, ähm, Menschen, die schon länger hier leben, was „den ethnisch-kulturellen Wandel der Bevölkerungsstruktur“ vorantreibt. Das alles muss eigentlich schon genügen, dass Wiebke die „offene und demokratische Welt“ in Gefahr sieht. Es kommt aber noch besser.

Klingt nach Kindernachrichten
Meinen Lieblings-Teil möchte ich an dieser Stelle etwas ausführlicher zitieren. In ihrer AfD-Kritik schreiben die Initiatoren von „KleinerFünf“ unter der Überschrift „Europa der geschlossenen Türen“:

Die AfD wirbt für ein „Europa der Vaterländer“. Sie versteht die europäische Staatengemeinschaft als eine „Wirtschafts- und Interessengemeinschaft souveräner, lose verbundener Einzelstaaten“. Wenn es nach der AfD geht, dann sind die Türen zu Europa geschlossen und der Eintritt exklusiv.Solch nationalistische Tendenzen haben in den vergangenen 100 Jahren jedoch zu vielen Konflikten und Kriegen geführt.

„Die Türen zu Europa geschlossen und der Eintritt exklusiv“ klingt drastisch, steht so aber auch gar nicht im AfD-Programm, sondern ist lediglich eine wenig wohlwollende Interpretation von „KleinerFünf“. Denn eigentlich geht es der AfD lediglich um Grenzkontrollen und regulierte Einwanderung. Das schreibt „KleinerFünf“ aber nicht, weil es viel zu harmlos, ja, sogar durchaus sinnvoll klingen könnte, wenn man an den islamistischen Terror denkt und an hunderte Millionen Menschen, die sich in den kommenden Jahren theoretisch auf den Weg nach Europa machen könnten. Das ist aber noch gar nicht der total verrückte Teil.

Richtig irre wird es erst bei der Feststellung, dass nationalistische Tendenzen „in den vergangenen 100 Jahren jedoch zu vielen Konflikten und Kriegen geführt haben“. Das klingt nicht nur so, als entstamme der Satz den Kindernachrichten, er hält einer logischen Betrachtung auch nicht stand, wie ich finde.

Besinnung auf kulturelle Identität
Nicht nationalistische Tendenzen – man könnte bei der AfD auch schlicht von „nationale“ Tendenzen sprechen, das klingt „KleinerFünf“ aber nicht harsch genug – haben zu vielen Kriegen und Konflikten geführt, sondern einerseits der Wunsch nach der Ausweitung des Staatsgebietes. Andererseits: Nicht die Besinnung auf das vorhandene Land mitsamt seiner politischen, religiösen und kulturellen Identität, worum es der AfD eigentlich geht, führte zu Kriegen und Konflikten, sondern gewaltsame Versuche, die eigene Macht auszuweiten und anderen seine politischen, religiösen und kulturellen Vorstellungen aufzuzwingen. Das erleben wir momentan eindrucksvoll beim Islamischen Staat.

Wenn man der Logik von „KleinerFünf“ weiter folgt, käme man außerdem zu dem Ergebnis, dass zentral gesteuerte Staatenbündnisse ein besserer Garant für Frieden und Stabilität seien als einzelne Länder, die souverän nebeneinander existieren und nur vereinzelt, zum Beispiel beim Handel, gemeinsame Sache machen. Ich frage mich ernsthaft, wo Hannah und Wiebke Geschichtsunterricht hatten? Auf dem Mars? Anders kann ich mir nicht erklären, dass die „KleinerFünf“-Macher offenbar noch nie etwas von der Sowjetunion gehört haben.

Ein mahnendes Beispiel
Natürlich kann und darf man die AfD kritisch betrachten. Das sollte man als aufgeklärter Demokrat übrigens mit allen Parteien tun. Auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Europäischen Union von heute wäre angebracht. Mit Angela Merkel, Donald Trump, Martin Schulz, mit allem und jedem von politischer Relevanz. Manchmal wäre aber auch eine kritische Betrachtung der eigenen Kritik wünschenswert. Sonst läuft man Gefahr, dass man am Ende wenig Inhaltliches und viel Polarisierendes publiziert. „KleinerFünf“ sei hier als mahnendes Beispiel genannt.

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