Weil auf Hümmling asylkritische Flyer der Wochenzeitung Junge Freiheit im Umlauf sind, sei die Bevölkerung beunruhigt, meldet die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) und bläst das Thema auf. Ein Redaktionsleiter nutzt die Chance, sich als aufrechter Demokrat zu inszenieren – und sogar der Staatsschutz ermittelt. Ein kleines Lehrstück der Kategorie „Hysterie gegen Rechts“

Der Hümmling ist eine Grundmoränenlandschaft des Norddeutschen Tieflandes und liegt im Westen Niedersachsens im Landkreis Emsland. Auf Hümmling befinden sich so wunderbar klingende Ortschaften wie Bockholte, Surwold und Vrees. „Ausgedehnte Buchenwälder und Birkenhaine, Moore, Heideflächen und Flussauen. Dazu über 4.000 Jahre alte Hügelgräber und ein Barockschloss: Im nordöstlichen Emsland, südöstlich von Papenburg, erstreckt sich mit dem Hümmling eine lohnenswerte Ausflugs- und Urlaubsregion“, lobt sogar das renommierte Reiseportal NDR.

Ja, es könnte alles so ruhig, so romantisch, so Caspar David Friedrich sein. Doch der Schein trügt, denn jüngst ereignete sich ausgerechnet dort eine ungeahnte Dimension der rechtsextremen Hetze, die die Bevölkerung verunsicherte, die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) auf den Plan rief – und sogar den Staatsschutz. Ein kleines Lehrstück der Kategorie „Hysterie gegen Rechts“.

Die Bevölkerung ist beunruhigt

Eine Passantin, wohnhaft in der Gemeinde Sögel, machte beim Wandern auf dem Hümmlinger Pilgerweg eine grausige Entdeckung: Flyer, in denen die deutsche Asylpolitik kritisiert wird, „mit Fragen, Thesen und Zitaten im Zusammenhang mit dem Zuzug von Flüchtlingen“, wie die NOZ im Artikel „Flyer mit rechten Botschaften auf Hümmling aufgetaucht“berichtete. Die Faltblätter thematisierten unter anderem die „importierte Verfolgung von Christen“ sowie „Sofortmaßnahmen“, beispielsweise „Schließung der Staatsgrenze, notfalls mit Grenzzäunen“. Hinzu kam noch die unerhörte politische Position, wonach Deutschland abgelehnte Asylbewerber konsequent abschieben sollte.

Es hätte – dort auf dem Hümmlinger Pilgerweg – ein bedauerlicher Einzelfall bleiben können. Doch weit gefehlt, denn – so schreibt die NOZ – seien die selben Flyer auch noch beim „Anradeln des Landkreises Emsland Mitte April und bei mehreren weiteren Veranstaltungen, zum Beispiel im Sögeler Rathaus“ aufgetaucht. Irgendwer hatte sie an Windschutzscheiben von Autos geklemmt. Und das sorge „für Unruhe in der Bevölkerung“, weiß die NOZ.

Unsitten aus dem ostdeutschen Mordor

Die Hümmlinger – bekannt als gefestigte Helldeutsche, die schon länger hier leben – bringt so schnell nichts aus dem Konzept. Aber bei solchen Ausmaßen der Hetze hört der Spaß auch bei den Hümmlingern auf. Richtig also, dass sich in der Folge der Staatsschutz der Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim in Lingen einschaltete und mehreren Hinweisen aus der verunsicherten Bevölkerung nachging.

Aber das sind doch nur Flyer, mag manch einer an dieser Stelle einwerfen, muss deshalb gleich der Staatsschutz ermitteln? Natürlich: Wehret den Anfängen! Schließlich ist Niedersachen nicht allzu weit von Sachsen entfernt, bekanntlich das ostdeutsche Mordor in Sachen Willkommenskultur. Und was, wenn diese Flyer aus Sachsen stammen, quasi als Vorhut, bevor Dunkeldeutschland im Hümmlinger Auenland einmarschiert? Haben Sie diese packende Studie zum Rechtsextremismus in Ostdeutschland denn nicht gelesen?

Die Quelle allen Übels

Zurück auf Hümmling. Im Folgenden zwei Auszüge aus dem NOZ-Bericht zum Thema:

Der Flyer (und auch das Verteilen) sei umfassend rechtlich von der Staatsanwaltschaft Osnabrück geprüft worden. Das Ergebnis sei negativ ausgefallen. Zum Flyer selbst wurde daher „vor dem Hintergrund der fehlenden Rechtsverletzung kein Strafverfahren eingeleitet“.

Na wie jetzt?, mag sich da der aufrechte Demokrat denken. Schlimmste, niederträchtigste und menschenverachtendste Hetze gegen die Schwächsten unserer Gesellschaft – und kein Strafverfahren? Doch die Bevölkerung hat auch Grund zum Aufatmen. Denn die Quelle allen Übels befindet sich – Merkel sei Dank – nicht in Sachsen, sondern in Berlin, wie die NOZ weiß:

Das Faltblatt werde von der „Jungen Freiheit“ verfasst und publiziert, nach Informationen der Polizei wird er vom Verlag auf Anforderung problemlos und kostenlos zur Verfügung gestellt. Auch das erklärt, wieso er auf dem Hümmling mehrfach aufgetaucht ist. Die Polizei ordnet die Zeitschrift und ihren Verlag als „konservatives Medium am politischen rechten Rand“ ein, heißt es. „Der Verlag wird jedoch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet“, so der Sprecher.“

Die Rechten im Visier behalten

Das Rätsel um die Horror-Flyer ist immerhin gelöst, auch wenn es sich bei der Jungen Freiheit nicht um eine Zeitschrift, sondern eine Zeitung handelt. Aber sei’s drum. Gerd Schade, Redaktionsleiter der Ems-Zeitung, die zur NOZ gehört und laut Homepage die Ortschaften Dörpen, Lathen, Nordhümmling, Papenburg, Rhede, Sögel, Werlte und Westoverledingen mit Investigativjournalismus bedient, nahm sich dem Thema abschließend in einem mutigen Kommentar an. Im Folgenden unredigierte Auszüge:

Artikel zu Migranten, Kriminalität von ausländischen Tätern und zu Islamisten erhalten in der „JF“, die im Übrigen eine Reihe von AfD-Positionen teilt, regelmäßig viel Raum. Geschickt manövriert der Verlag in seiner Rhetorik hart an der Grenze des Erlaubten, aber eben so, dass seine Thesen verfassungsrechtlich nur schwer angreifbar sind. Offen extremistische Positionen, wie man sie in einschlägigen neonazistischen Publikationen findet, sucht man jedenfalls vergebens. Die Polizei im Emsland ordnet die „JF“ als „konservatives Medium am politischen rechten Rand“ ein, wie sie sagt. Und doch tut sie gut daran, dass Gebaren ihrer Anhänger, die es auf dem Hümmling augenscheinlich gibt, im Visier zu behalten.

Weiter schreibt Schade:

Darüber hinaus gilt: Eine funktionierende Demokratie muss Publikationen wie die „JF“ ertragen können. Ein Verbot würde wenig helfen. Viel wichtiger ist eine kritische Auseinandersetzung. Da ist jeder gefragt. Überzeugte Demokraten gehen auch dahin, wo es wehtut.

Schade erlaubt der JF also, weiterhin zu existieren. Eine große demokratische Geste von einem großen Demokraten, wie ich finde. Der Schock über die Horror-Flyer im Hümmeling dürfte bei der aufgeklärten Bevölkerung unterdessen aber noch tief sitzen. Man kann also nur hoffen, dass die Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim in Lingen nicht nur eine Abteilung „Staatsschutz“, sondern auch eine Abteilung „Krisenintervention“ unterhält.

Der Beitrag ist auch auf Die Achse des Guten erschienen

Werbung