Selbstverständlich hatte ich geahnt, dass die Franzosen am Ende triumphieren würden. Doch die Hoffnung, die Kroaten könnten das Unmögliche möglich machen, keimte in mir noch einmal auf als Perišić den Ball in der 28. Minute ins rechte Eck hämmerte. Zuvor führte Frankreich bereits, und ich war ein bisschen sauer. Auf Griezmann und seine Showeinlage, die zu einem Freistoß aus halbrechter Position führte, und der wiederum zum Eigentor von Mandžukić. Auf den Schiedsrichter, der die Schwalbe nicht erkannte, obwohl er angeblich der richtige Unparteiische für dieses WM-Finale war. Vor allem auf den Fußballgott, der es zuließ, dass das alles so kommen konnte.
Auf eine kurzzeitige Versöhnung angesichts des Ausgleichstors folgte zehn Minuten später wieder blanke Ernüchterung durch den verwandelten Handelfmeter von Griezmann. Ein Strafstoß, der keiner war, befand auch Béla Réthy. Aber einer, der wohl das Ende der Kroaten besiegelte, die in der Folge – trotz eines beeindruckenden Patzers von Torwart Lloris – nicht mehr ins Spiel fanden. Schweren Herzens bleibt mir also nur ein Félicitations an Le Bleu zu schicken. Und zu fragen: Was bleibt von diesem Turnier, das mit einem Sturzregen bei der Siegerehrung und einem durchnässten französischen Präsidenten Macron endete?
Sportlich betrachtet, viel Ernüchterung bei den Favoriten – vom Ausscheiden Deutschlands als Gruppenletzter in der Vorrunde bis zum Ende der Engländer im Halbfinale gegen beherzt aufspielende und bis zum Zusammenbruch kämpfende Kroaten. Es war aber auch die Glanzstunde der Brasilianer und Argentinier nicht, während die Belgier nur vereinzelt, nicht aber in Gänze überzeugen konnten. Mit etwas bösem Willen lässt sich gar festhalten: Ohne das selbstverschuldete Versagen der Favoriten wäre ein Frankreich nie so weit gekommen. Aber im Sport ist der Konjunktiv bekanntlich obsolet.
Dann waren da noch die vielen knappen und an Toren mageren Begegnungen, von denen immerhin nur eine torlos endete. Und darunter war für mich das schönste Spiel des Turniers, obgleich nicht von großer Fußballästhetik geprägt: Das Gruppenspiel der Isländer gegen Argentinien. Vor mir der Fernseher und ein kühles Bier, hinter mir erhoben sich die kretinischen Berge über einer Hafenstadt ganz im Osten der Insel. Eine leichte Meeresbrise am Halsrücken und sich aufopfernde Isländer auf dem Bildschirm. Es war eines dieser Spiele, ähnlich dem Kroaten-Sieg gegen England und der bemerkenswerten Partie Belgien gegen Japan, das das Herz jedes Fußballfans höher schlagen lässt. So gab es davon gottweiß zu wenige in diesem Turnier. Aber vielleicht wirkte die Verwöhnung von 2014 nur nach, der Kantersieg gegen Brasilien und das goldene Tor in der Nachspielzeit gegen starke Argentinier. Vielleicht war sportlich alles gut in Russland.
Was bleibt also von der Fußballweltmeisterschaft 2018? Abseits des Sports sicherlich der Eindruck eines Landes, das gastfreundlicher, bunter und fröhlicher erschien als es das Klischee vom immerzu unterkühlten Russen zuließe. Aber auch die Erkenntnis, dass man Feste feiern kann, ohne zu vergessen, dass am Ort der Freude noch sehr vieles im Argen liegt. Daran erinnerte uns zum Abschluss auch noch die Flitzer-Aktion, hinter der die Aktivistengruppe Pussy Riot stecken will, aber auch zahlreiche politische Texte, Tweets und Posts, von denen ich mir insgesamt weniger gewünscht hätte. Siehe entsprechenden Text hier.
Der Pessimist würde nun sagen, dass nach dem Fest der Kater folgt, weil immer noch vieles schlimm ist in Mütterchen Russland. Der Optimist, dass dieses Turnier tatsächlich etwas ändern könnte im Land, es offener, ja, gar demokratischer nach westlichen Maßstäben werden könnte. Der Realist unterdessen wartet ab bis der Kerzennebel sich verzieht und denkt zurück an die Höhepunkte eines Turniers, das erst im Winter 2022 zurückkehren wird. An einen Messi und ein trotziges „Huh!“ nach 90 Minuten. Do Svidaniya, Russland 2018.