Die Radikalisierung in den Vereinigten Staaten (die auch als Blaupause für D 2025 gesehen werden kann, wenn es so weiter geht) hat viele Gesichter: Sie hat auch zu tun mit den „woken“ Studenten, die sich bei jedem Disput in ihre Trigger-Zone flüchten und reihenweise konservative Professoren mobben. Sie hat zu tun mit der Medienlandschaft, die – entgegen des hierzulande herrschenden Fox-Narrativs übrigens – nicht „objektiv“ ist, sondern im Prinzip immer tendenziös. Sie hat zu tun mit Organisationen wie BLM auf progressiver und anderen auf republikanischer Seite, die (auch) reihenweise als Feigenblätter für Systemumsturz-Fantasien und sonstigen Irrsinn genutzt werden. Und sie hat zu tun mit dem immer gleichen Narrativ, wonach immer die anderen die Bekloppten sind.
Das erklärt übrigens auch, warum bei der Kommentierung der jüngsten Vorkommnisse – „Sturm auf das Kapitol“ – immer ignoriert wird, was am Rande der Vereidigung von Trump in Washington abgegangen ist; als die Bekloppten plündernd und brandschatzend durch die Stadt gezogen sind. Komischerweise blieb damals eine Querverbindung zu Hillary oder der progressiven Presse in den USA (selbst die NYT scheint ja mittlerweile Probleme in Sachen Liberalität zu haben) aus. Das ist das eine.
Das andere ist dies: Wenn ein Netzwerk wie Twitter beschließt, einen gewählten US-Präsidenten zu canceln, haben wir größere Probleme als seltsame oder meinetwegen irrsinnige Tweets von Donald Trump. Nämlich die Hybris, wonach Twitter – in der Regel furchtbar intransparent – entscheidet, was freie Meinung darf und was nicht. Trump etwa wurde gestrichen, bis heute finden sich auf Twitter aber Tweets von Despoten, in denen die Vernichtung Israels gefordert wird. Was sagt uns das?
Dass es beim Canceln von Trump eben nicht um Inhalte geht. Das war keine verantwortungsvolle oder gar ehrenwerte Tat. Es geht Twitter einzig um Meinungsführerschaft, darum, zu bestimmen, was die Leute zu denken haben und was nicht. Und diese „erlaubten“ Gedankengänge scheinen mit denen der angeblich progressiven Silicon-Valley-Oligarchen harmonieren zu müssen.
Mit dem Canceln Trumps hat Twitter überdies auch 47 Millionen amerikanische Wähler gecancelt und noch mehr Öl ins Feuer gegossen. Ich jedenfalls fühle mich weniger durch ein paar Bekloppte, die irgendwo eindringen, bedroht, als durch einen Zeitgeist, der Zensur und Gleichschaltungs-Versuche einzelner Tech-Monopolisiten honoriert, solange es die „Richtigen“ trifft.