Plötzlich war Folge 61 verschwunden. Jene mit dem Titel „Trans-Babies und Pubertätsblocker“, für die „Indubio“-Host Burkhard Müller-Ullrich mit der Publizistin Birgit Kelle gesprochen hat. „Indubio“ ist der Podcast des Autorenblogs „Achse des Guten“ von Henryk M. Broder und Dirk Maxeiner. Kelle wiederum ist bekennende Konservative, laut ihrer Büchertitel aber auch ein „Muttertier“, das sich gegen „Gendergaga“ wehrt. Im Prinzip geht es ihr um Folgendes: Sie kritisiert, dass sich Politik und Gesellschaft einem Gender-Zeitgeist unterwerfen. Mit dramatischen Folgen, findet Kelle.
Die Podcast-Folge 61 wurde denn auch anlässlich ihres jüngsten Buches, in dem sie sich einmal mehr mit dem Thema auseinandersetzt, aufgezeichnet – und von Spotify bald schon von der eigenen Plattform verbannt. Angeblich wegen Verstoßes gegen die AGB. Doch dabei ist es nicht geblieben. Auch alle anderen Folgen verschwanden bald darauf ganz von Spotify – und damit auch der gesamte Podcast. Irgendwer hatte wohl den roten Knopf gedrückt. Im September 2020 war das. Doch nun, im Februar 2021, ist der Podcast auf Spotify plötzlich wieder abrufbar. Inklusive der Kelle-Folge. Es ist ein Fall, der zeigt, welch Irrsinn in der Löschpraxis der großen Plattformen auch steckt – und wie haarsträubend die Kommunikation drumherum ist.
Das Phänomen an sich ist freilich nicht neu. Die einschlägigen Plattformen lassen schon länger Inhalte oder ganze User verschwinden, weil angeblich gegen irgendwelche Regeln verstoßen wurde. Das mag in Teilen richtig und wichtig sein, in der Summe sind aber auch reihenweise Nutzer und Inhalte betroffen, die in der analogen Welt wahrscheinlich oder ganz sicher von der freien Meinungsäußerung gedeckt wären.
Besonders perfide: Anstatt sich zu erklären und eine Löschung gegenüber den Betroffenen zu begründen – inklusive Verweis auf den konkreten Inhalt und die konkrete Regel, die damit verletzt wurde – heißt es von Seiten der Plattformen meist nur lapidar, es sei irgendein Verstoß bemerkt oder gemeldet worden. So auch beim „Indubio“-Podcast der „Achse des Guten“ auf Spotify. Das ist in etwa so, als würden Sie einen Strafzettel bekommen, der Ihnen wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung zugestellt wurde, ohne, dass darin der konkrete Verstoß benannt ist.
Der Vorteil für Spotify und Co. liegt auf der Hand: Je weniger die Betroffenen über ihre Sperrung wissen, desto schwieriger wird es, sich gegen die Sperrung zu wehren. Und als wäre das nicht schon unschön genug, sind die Chancen, nach der Exkommunikation mit auch nur einem Vertreter der anderen Seite in den Dialog zu treten, äußerst gering; auch als Journalist übrigens.
Wer sich zum Beispiel über das Presseportal von Spotify an das Unternehmen wendet und um Klärung des Falls „Indubio“ bittet – inklusive einer Antwort auf die Frage, wie es Spotify generell mit der Freiheit der Meinung hält – bleibt unbefriedigt zurück. Im Oktober 2020, also nach dem Verschwinden des Podcasts von Spotify, meldete sich die Mitarbeiterin eine Berliner PR-Agentur auf meine Anfrage. Also nicht das Unternehmen selbst, sondern ein Dienstleister.
Anna B. schrieb mir: „Vielen Dank für die Anfrage und Ihr Interesse an Spotify. Als PR-Agentur für Spotify haben wir diese Anfrage erhalten. Spotify möchte sich derzeit nicht an der Thematik beteiligen oder ein Statement dazu herausgeben.“ So kann man das als Plattform machen (lassen). Ist halt nur schlechter Stil – und in der Argumentation obendrein absurd. Denn selbstredend kann man sich an einer Thematik, die man selbst angestoßen hat, nicht nicht-beteiligen.
Es passt allerdings ins Bild. Denn auch bei der „Achse des Guten“ weiß man bis heute nicht so recht, warum Spotify es für nötig hielt, zuerst die Folge mit Birgit Kelle zu canceln und anschließend den gesamten Podcast von der Plattform zu verbannen. Nicht ganz irrelevant dürfte sein, dass Spotify seit geraumer Zeit Anschluss an den „woken“ Zeitgeist sucht, Usern der deutschen Version einen Freund*innen-Feed anzeigt und „Black Lives Matter“-Playlisten kuratiert. Da passt die „Achse des Guten“, vorsichtig formuliert, nicht so recht ins Konzept.
Und dennoch: Der „Indubio“-Podcast ist nun wieder da. Offenbar, weil die „Achse des Guten“ seinen Dienstleister, der das Format automatisch über die gängigen Plattformen ausspielt, gewechselt hat. Auf Nachfrage spricht „Achse des Guten“-Büroleiter Christoph Kramer vom „Prinzip Chaos“ und auch davon, dass man selbst überrascht sei, dass der Podcast nun wieder vollumfänglich abrufbar ist, inklusive der Kelle-Folge.
Ob auch Spotify von der Rückkehr überrascht wurde? Und verschwindet der Podcast denn bald wieder wie von Geisterhand? Ich wollte es genauer wissen und habe diese Woche bei Spotify nachgefragt. Vier Monate nach unserem ersten höflichen Kontakt, ist es wieder Anna B. von der Berliner PR-Agentur, die auf meine Anfrage antwortet. Sie schreibt mir: „Vielen Dank für Ihre Anfrage und das damit verbundene Interesse an Spotify. In Rücksprache muss ich Ihnen für die Anfrage allerdings absagen, Spotify möchte sich derzeit nicht an der Thematik beteiligen oder ein Statement dazu herausgeben.“ Hammer wieder gschwätzt, sagt man im Allgäu.